Personalisierte Medizin Wie ist es möglich, dass zwei Menschen mit der gleichen Krankheit unterschiedlich auf die Behandlung mit demselben Medikament reagieren? Die Antwort liegt in den Genen. 1. Weniger Nebenwirkungen dank Pharmakogenomik
Vergleicht man das Erbgut zweier Menschen, zum Beispiel das Erbgut einer Schülerin und ihres Banknachbarn, so wird man feststellen, dass sich die beiden Genome an etwa 30 bis 60 Millionen Basenpaaren, den «Buchstaben» des Erbguts, unterscheiden (einzige Ausnahme: der Banknachbar ist zugleich der eineiige Zwilling). Das entspricht etwa 1 bis 2 Prozent des gesamten Erbguts. Noch vor fünf Jahren meinten Wissenschafter, dass sich zwei Menschen nur etwa zu 0,1 Prozent genetisch voneinander unterscheiden.
Einzelne Unterschiede in der Buchstabenabfolge der DNA-Sequenz bezeichnen Forschende als Single Nucleotide Polymorphism, kurz SNP (sprich «Snips»). Wo die Schülerin zum Beispiel ein Adenosin in ihrem Erbgut trägt, hat ihr Nachbar vielleicht ein Thymin. Diesen Unterschied merkt man in der Regel überhaupt nicht. Er kann aber in einzelnen Fällen grosse Auswirkungen haben, denn falls diese DNA-Sequenz abgelesen wird und ein Protein entsteht, dann könnte dieses Protein bei der Schülerin und beim Banknachbarn unterschiedlich aussehen und auch unterschiedlich wirken. Ist dieses Protein zum Beispiel am Abbau eines Medikaments beteiligt, so könnte das bedeuten, dass die beiden Personen ein bestimmtes Medikament unterschiedlich verarbeiten.
Nun stellen Sie sich vor, die Schülerin und ihr Banknachbar würden an der gleichen Krankheit erkranken, zum Beispiel Krebs. Beide würden mit demselben Medikament behandelt, dann müssten doch beide vom Medikament gleich gut profitieren, oder? In der Realität kommt es aber manchmal vor, dass die gleichen Medikamente der einen Person helfen, der anderen aber nicht. Lange wussten die Ärzte nicht, warum das so ist. Heute ist klar: Einerseits liegt es an den oben erwähnten genetischen Unterschieden im Erbgut, den SNPs (siehe Grafik 1). Sie sind aber nur ein Grund für dieses Phänomen. Auch viele andere Faktoren können einen Einfluss haben, zum Beispiel:
Umweltfaktoren: • die Erkrankungen, die eine Person bereits durchgemacht hat • der Tabakkonsum • etc. Biologische Faktoren: • das Alter der Person • das Geschlecht • etc Beispiel Warfarin
Warfarin ist ein Medikament, das die Blutgerinnung vermindert. Das Problem bei diesem Medikament ist, die richtige Dosis für die Patienten zu finden: Schon bei geringfügiger Überdosierung kann es zu Blutungen kommen, ist die Dosis zu gering, wirkt das Medikament nicht effizient und es besteht die Gefahr, dass Thrombosen (z. B.
Blutgerinnsel) entstehen. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Wirkung von Warfarin bei Patienten (siehe Grafik): Bislang wurden drei Gene entdeckt (GGCX, VKORC1 und CYP2C9), aber auch klinische Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Ernährung können die Wirkung beeinflussen.
Dass das gleiche Medikament bei Menschen mit der gleichen Krankheit unterschiedlich wirken kann, ist in der Medizin alltäglich. Und es kann schlimme Folgen haben: In den USA gab es im Jahr 2007 geschätzte 100 000 Todesfälle aufgrund von unerwünschten Medikamentenwirkungen. Statistiken zeigen, dass etwa 20 bis 75 Prozent aller Patienten nicht die für sie ideale Therapie oder nicht die für sie ideale Dosis erhalten. Die grosse Spannbreite der Prozentzahlen beweist, dass verschiedene Medikamente unterschiedlich stark von diesem Effekt betroffen sind.
Mit Hilfe der Pharmakogenomik wollen Forschende dieses Problem angehen. Pharmakogenomik bedeutet, dass vor einer Behandlung abgeklärt wird, ob ein Medikament für einen bestimmten Patienten geeignet ist oder nicht. Dazu führt der Arzt vor der Behandlung einen Test durch (Diagnose), zum Beispiel einen Gentest (siehe Bild 1).
Um zum obigen Beispiel zurückzukehren: Der Arzt überprüft, ob die Schülerin oder ihr Banknachbar an der fraglichen Stelle im Genom ein Adenosin oder ein Thymin haben. Der Arzt weiss aufgrund klinischer Studien, dass Patienten mit einem Adenosin an besagter Stelle nicht auf das Krebs-Medikament XY ansprechen werden. Die Schülerin wird in diesem hypothetischen Beispiel also nicht mit dem Medikament XY behandelt, sondern mit einem anderen Medikament (siehe Grafik 2).
2. Pharmakogenomik = personalisierte Medizin?
Die Pharmakogenomik soll also dafür sorgen, dass Patienten die für sie ideale Behandlung erhalten, mit möglichst wenig unerwünschten Wirkungen. Pharmakogenomik wird oft mit dem Begriff personalisierte Medizin gleichgesetzt. Allerdings ist die personalisierte Medizin eher ein Überbegriff für eine Strategie, Medikamente zu
entwickeln, die besser auf den Patienten zugeschnitten sind (bessere Diagnose, optimale Therapie).
Der Begriff personalisierte Medizin führt zudem etwas in die Irre, denn das Ziel besteht nicht darin, Medikamente zu entwickeln, die auf eine einzelne Person zugeschnitten sind, sondern höchstens auf eine Gruppe von Patienten. Das Medikament Herceptin zum Beispiel wirkt bei etwa 25 Prozent aller Brustkrebspatientinnen, denn nur diese tragen die entsprechende Genmutation in den Krebszellen.
Pharmakogenomik oder personalisierte Medizin ist auch keine Revolution, wie oft behauptet wird, sondern eher eine Evolution. Schon seit Jahrhunderten versuchen Ärzte, die für den Patienten ideale Behandlung zu finden. In der Vergangenheit entschieden sich Ärzte aufgrund ihres Wissens über die jeweilige Krankheit, aufgrund der Patientendaten und ihrer Erfahrung für ein bestimmtes Medikament. Falls dieses nicht oder nicht genügend wirkte, wurde entweder die Dosis verändert oder auf ein anderes Medikament ausgewichen. Solange, bis der Arzt das richtige Medikament für den Patienten gefunden hatte.
Mit der Pharmakogenomik könnten die Ärzte in Zukunft - so die Hoffnung - bereits zu Beginn der Behandlung über alle notwendigen Informationen verfügen, um dem Patienten von Beginn an die ideale Therapie zu verschreiben. Damit könnten auch Kosten gespart werden, weil auf wirkungslose oder nachteilige Behandlungen verzichtet wird.
Experten erhoffen sich von der Pharmakogenomik aber nicht nur optimalere Therapien, sondern auch präzisere Diagnosen. Zum Beispiel bei Krebs, wo es etwa 250 verschiedene Arten gibt: Brustkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs usw. Herauszufinden, an welchem Krebstyp ein Patient leidet, kann unter Umständen schwierig sein, da sich die Symptome einzelner Krebsarten ähneln können. Zudem kann ein und derselbe Krebstyp bei zwei verschiedenen Patienten zu unterschiedlichen Symptomen führen. Eine ideale Behandlung kann aber erst erfolgen, wenn der Arzt genau weiss, mit welchem Krebstyp er es zu tun hat.
Gentests oder Genexpressionstests können hier weiterhelfen. Der Arzt kann mit diesem Hilfsmittel rasch und einfach herausfinden, um welchen Krebstyp es sich handelt, welche Gene aktiv sind und im Idealfall sogar, in welchem Stadium der Krebs sich befindet. Ist er noch im Anfangsstadium oder metastasiert er bereits, verteilt sich also im Körper? Aufgrund dieser Daten kann er seine Behandlung wählen.
Zum Teil sind erste pharmakogenomische Tests bereits auf dem Markt erhältlich, etwa ein Test für Hepatitis C-Patienten (kein Gentest). Der Test kann bei diesen Patienten die Virusmenge im Blut messen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kann der Arzt entscheiden, ob der Patient nur eine Kurzbehandlung braucht oder ob er den vollen Behandlungszyklus durchlaufen muss.
Neben diesem Beispiel aus der Diagnostik gibt es mittlerweile einige Beispiele für Medikamente aus dem Bereich Pharmakokinetik (siehe Kasten unten), allerdings nicht so viele, wie man sich noch vor einigen Jahren erhofft hatte. Das hängt damit zusammen, dass die Wissenschaft zwar voranschreitet und mit ihr auch das Wissen über die genetischen Ursachen verschiedener Krankheiten. Der Weg allerdings ist mühsam, denn bei den allermeisten Volkskrankheiten sind mehrere Faktoren für die Entstehung verantwortlich. Bei vielen Krebsarten sind die Gene zum Beispiel nur zu 20 bis 30 Prozent für die Entstehung verantwortlich. Entsprechend komplex ist die Entwicklung eines entsprechenden Medikaments.
Einige Beispiele von Medikamenten aus dem Bereich Pharmakogenomik Darmkrebs Forschende haben herausgefunden, dass bei etwa 40 Prozent aller Patienten, die an Dickdarmkrebs leiden, ein bestimmtes Gen mutiert ist (das Protoonkogen k-ras). Bei diesen Patienten ist aufgrund dieser Tatsache eine Therapie mit dem Antikörper Cetuximab wirkungslos. Das hat dazu geführt, dass heute nur noch Krebspatienten mit dem Wirkstoff behandelt werden, die auch tatsächlich eine Chance haben, davon zu profitieren. Unnötige Behandlungskosten fallen weg. Brustkrebs Gut ein Viertel aller Brustkrebspatientinnen produzieren aufgrund eines Gendefekts in Krebszellen das Protein HER-2 im Übermass. Die Folge: HER-2-positive Patientinnen leiden an einer besonders bösartigen Form von Brustkrebs. Das Krebsmittel Herceptin erkennt das Protein HER-2 auf der Oberfläche von Krebszellen und stoppt sie.
Speziell an der Herceptin-Behandlung ist, dass vor der Behandlung ein Test durchgeführt wird, bei dem bestimmt wird, ob die Patientin am HER-2-Gendefekt leidet oder nicht.
Aids Bis zu zehn Prozent der Patienten, die das Medikament Abacavir gegen Aids einnahmen, hatten zum Teil schwere Nebenwirkungen. Dann fanden Forschende heraus, dass bei diesen Patienten ein bestimmtes Gen verändert ist (das Gen HLA-B5701). Heute wird bei Patienten zuvor getestet, ob sie das veränderte Gen tragen oder nicht. Dadurch sank die Rate der unerwünschten Nebenwirkungen bei diesem Medikament und das wiederum half mit, das Vertrauen von Patienten und Ärzten in das Medikament zu stärken.
Quelle: U.S. Food and Drug Administration
Gene und Gedächtnis
Gene können nicht nur einen Einfluss darauf haben, ob eine bestimmte Person ein Medikament verträgt oder nicht, sondern auch darauf, wie gut oder schlecht eine Person sich etwas merken kann, also auf die Gedächtnisleistung.
Hier gibt es interessante Studien, unter anderem von Schweizer Forscherinnen und Forschern. Personen mussten sich 20 Begriffe merken und wurden später nach diesen abgefragt. Die Personen wurden aufgrund der Ergebnisse in Gruppen mit «guten» und «schlechten» Gedächtnisleistungen unterteilt und Forschende untersuchten danach das Erbgut der Personen. Sie fanden, dass es unter ihnen genetische Unterschiede gibt. Der Grund für die «gute» oder «schlechte» Gedächtnisleistung liegt zum Teil also in den Genen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass nun die eine Gruppe dümmer ist als die andere. Es bedeutet für die Personen, die in diesem Test schlecht abgeschnitten haben, dass sie vielleicht etwas besser behalten können, wenn sie es nicht einfach auswendig lernen, sondern sich mehr auf visuelles Lernen konzentrieren oder auf eine andere Lernform.
Und wer weiss: Vielleicht gibt es in Zukunft Medikamente, die der Gedächtnisleistung dieser Personen auf die Sprünge hilft. Was würden Sie davon halten? Darf man das?
3. Ethische Aspekte zur Pharmakogenomik Medikamentensicherheit Die begründete Hoffnung besteht darin, dass Patienten dank der Pharmakogenomik von Medikamenten profitieren, die besser auf sie zugeschnitten sind und dadurch weniger Nebenwirkungen auftreten. Dadurch steigt das Vertrauen in diese Medikamente. Verschiedene Beispiele belegen diesen Effekt. Kosten Viele Experten meinen, dass das Gesundheitswesen von der Pharmakogenomik profitieren wird, da nur noch Medikamente verschrieben werden, die auch tatsächlich wirken. Dadurch sollten Kosten eingespart werden. Aber gerade in diesem Punkt gibt es auch andere Stimmen. Pharmakogenomik könnte die Kosten im Gesundheitswesen auch erhöhen, denn diagnostische Tests kosten auch Geld, sagen Kritiker. Umgang mit genetischen Daten In Zukunft werden wohl viele Menschen in der Schweiz etwas über ihre Gene erfahren, zum Beispiel im Rahmen einer Behandlung. Wer hat Zugriff auf diese Daten? Wie hoch ist das Risiko, dass Missbrauch mit diesen Daten getrieben wird, falls sie elektronisch vorhanden sind und in Datenbanken zugänglich sind? Wahrscheinlichkeiten Auch die Pharmakogenomik kann keine absolute Sicherheit bieten. Sie kann höchstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussagen, ob ein Medikament bei einer Person mit einem bestimmten Genprofil unerwünschte Wirkungen auslösen wird oder nicht. Der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten kann heikel sein. Ist Pharmakogenomik diskriminierend? Oft wird gegen die Pharmakogenomik ins Feld geführt, dass sie diskriminierend sei. Denn ein Gentest kann dazu führen, dass der eine Patient ein vielleicht lebensrettendes Medikament erhält und der andere nicht. Ist das diskriminierend? Ist es ungerecht? Was halten Sie von der Position des TA-Swiss (siehe unten)?
«Der Vorwurf, genetische Minderheiten würden diskriminiert, wenn für sie keine Medikamente entwickelt würden, greift zu kurz. Der Umstand, dass es seltene Genotypen gibt und dass für sie im Unterschied zur Mehrheit der Patienten für bestimmte Krankheiten keine wirksamen Medikamente existieren, rechtfertigt die Rede von willkürlicher Ungleichbehandlung deshalb nicht, weil es kein moralisches Recht auf eine funktionierende Therapie gibt. Hingegen besteht die moralische Pflicht, die Entwicklung von Arzneien zu fördern, die genetischen Minderheiten zugute kommen. Der beste Weg hierzu führt über staatliche Massnahmen, welche die Heilmittelhersteller ermutigen sollen, sich einem Unterfangen zu widmen, das für sie weniger rentabel ist.»
Quelle: TA-Swiss, Zentrum für Technologiefolgenabschätzung, Auf dem Weg zu massgeschneiderten Medikamenten? Kurzfassung, 2004
Ein Blick ins eigene Genom - lohnt sich das?
Seit einigen Jahren gibt es verschiedene Firmen wie 23andme, die über das Internet ein delikates Angebot machen: ein Blick in die eigenen Gene. Habe ich eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken? Oder an Parkinson? Oder für psychische Störungen wie Depressionen? Verschiedene Firmen bieten solche Dienstleistungen an, zum Teil für mehrere Hundert Dollar.
Viele Experten sind derzeit skeptisch gegenüber solchen Angeboten, weil das Wissen über die Entstehung vieler Krankheiten noch begrenzt ist und unbegründete Ängste ausgelöst werden können. Würden Sie wissen wollen, wie ihre Gene aussehen?
Weitere Informationen finden Sie unter:
CURRICULUM VITAE Name Sree Appu MBBS (Melb) Hons., FRACS(Urol) Adjunct Clinical Associate Professor (Monash) Address: Clinical Head of Urology,Department of Urology,Monash Medical Centre,Moorabin Hospital, Bentleigh East 3165 Vic. Private Rooms: Southern Urology7 Chester Street, East Bentleigh 3165 Vic. Contact: Public - Secretary Kathy Moncrieff 9928 8643Private Rooms -
A possible blueprint for coverage of other new, much-promoted drugs. ABSTRACT: The 1998 launch of Viagra prompted widespread fears about the budgetaryconsequences for insurers and governments, all the more so since Viagra was only the firstof a new wave of so-called lifestyle drugs. The fears have turned out to be greatly exagger-ated. This paper analyzes the rationing strategies adopted in fo